Ich hatte schon lange den Wunsch nach meinem Examen im November 2016 bei einem zahnmedizinischen Einsatz in einem Hilfsprojekt dabei zu sein. Mein Abenteuer in Brasilien als frisch gebackene Zahnärztin begann dann Anfang März bei der AZB plus.
Ich wurde eingeteilt in die letzten beiden Teams in diesem zweiten Einsatz in Cabedelo. Das liegt direkt an der Küste im Nordosten des Landes, zirka 130 km nördlich von Recife im Bundesstaat Paraíba. Mein Flug brachte mich von Frankfurt direkt nach Recife, wo mich Leos Sohn Estevao und sein Onkel freudig in Empfang nahmen und mit dem weißen VW Bulli sicher in das kleine Apartment in Cabedelo brachten. Ich war erstaunt, dass in Brasilien noch sehr viele dieser Bullis fahren, da sie bei uns in Deutschland teure Sammlerstücke sind.
In Cabedelo erwarteten mich der Hamburger Zahnarzt Hanno Zehe, den ich bisher nur aus vielen Telefonaten kannte, und zwei brasilianische Zahnärzte, Deseo und sein Sohn Rafael. Hanno zeigte mir das Apartment, das die AZB plus für die Zahnarztteams extra angemietet hatte und das ich in den folgenden vier Wochen mit dem Team teilen würde. Es war nicht sehr groß, aber enthielt alles, was man so brauchte. Für mich, die im Studium immer in Wohngemeinschaften gewohnt hatte, fühlte sich das Zusammenwohnen sehr heimisch an.
Am nächsten Morgen weckten mich die Hähne vom direkten Nachbarn um kurz vor sechs. Die Sonne war schon aufgegangen. Ich war sehr aufgeregt. Es war immerhin mein erster Einsatztag im Dentomobil und als Zahnärztin und ich wusste überhaupt nicht, was mich erwarten würde…. Aber bevor es an die Arbeit ging, sind wir erstmal eine Runde im Meer geschwommen, das nur 50 Meter – einmal über die Straße – entfernt war. „So könnte ich jeden Tag beginnen“, dachte ich mir!
Der Fahrer Estevao brachte uns täglich gegen acht Uhr morgens zum Dentomobil. Dort warteten bereits die einheimische Hilfskraft Penha und eine lange Warteschlange Patienten auf uns. Penha hatte vor unserer Ankunft alles vorbereitet und die Reihenfolge der Patienten aufgeschrieben. Ihre Hilfe in der Organisation im und um das Dentomobil war großartig. Das hat sich in meiner vierwöchigen Einsatzzeit täglich bestätigt.
In den ersten zwei Wochen nahmen mich Hanno und die beiden brasilianischen Zahnärzte Rafael und Deseo an die Hand und zeigten mir so viel wie möglich, um mich bestmöglich auszubilden und mir so viel wie möglich für mein Leben als Zahnärztin mitzugeben. Ich assistierte und behandelte anschließend sehr viel. Sie zeigten mir, wie man entscheidet, ob Zähne zu erhalten sind oder nicht – ganz ohne Röntgengerät.
Ich konnte erfahren, wie man die schwierigsten Zähne und Wurzelreste extrahiert, was in der universitären Ausbildung leider viel zu kurz kommt und was es bedeutet, Zahnarzt zu sein. Ich lernte unter ganz anderen Umständen als in der Universität zu Behandeln und teilweise auch zu Improvisieren – und das bei durchgehend 30°C. Die Materialien im Dentomobil sind sehr gut, jedoch war ich nicht an das Arbeiten im Stehen gewöhnt, lernte es trotzdem sehr zu schätzen. Abends übte ich fleißig portugiesisch, um wenigstens ein bisschen verstehen zu können, da man in Brasilien mit englisch leider nicht weiterkommt und ich nach dem Einsatz in Cabedelo noch drei weitere Reisewochen geplant hatte.
Woche 3 und 4 verbrachte ich mit der ZFA Kata, dem jungen Zahnarzt Henning und dem Vorstandsvorsitzenden der AZB plus, Utz Wagner. Mittags bekamen wir immer beste brasilianische Hausmannskost im Haus von Josinaldo. Josinaldo war ein sehr wichtiger Organisator im Einsatz in Cabedelo, da er sich vor Ort bestens auskennt. In dieser Zeit habe ich mit der Hilfe von Utz Wagner das vorher Gelernte verbessert und fühlte mich am Ende viel sicherer beim Behandeln und im Umgang mit schwierigen Situationen.
Abends konnten wir oft bei Sonnenuntergang noch im badewannenwarmen Meer schwimmen und den Tag mit den vielen neuen Eindrücken ausklingen lassen.
Das Arbeiten im Dentomobil brachte mir viel Freude und die Zeit verging rasend schnell. Es war schön zu sehen, dass die Menschen sehr dankbar waren für die Behandlung und stundenlanges Warten in Kauf nahmen. Toll war, dass ich so das ursprüngliche zahnmedizinische Behandeln ohne den großen, deutschen, bürokratischen Aufwand kennen lernen konnte. Jede Behandlung wurde von uns trotzdem präzise dokumentiert. Für mich als frisch gebackene Zahnärztin hätte es keinen besseren Berufseinstieg geben können, da ich so viel lernen und sehen konnte. Der Einsatz im Dentomobil hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht und ich würde gerne wieder dabei sein!
Sophia Horschke