SO FING ALLES AN….

Am 14.09.1991 trafen sich aufgrund meiner Initiative in Steinbach bei Baden-Baden zwölf Zahnärzte, die alle einen persönlichen Bezug zu Brasilien hatten und sich in diesem faszinierenden Land caritativ engagieren wollten.

Von den damaligen zwölf Gründungsmitgliedern sind bis heute drei Zahnärzte aktiv im Vorstand vertreten: Dr. Gerd Pfeffer, Dr. Ulrich Wagner und Dr. Jörg Schmoll. Wir hatten von Beginn an keine Probleme, „opferwillige“ Kollegen für die in der Regel vierwöchigen Einsätze zu finden. Auch unser Einsatzgebiet war schnell abgeklärt. Es war die Favela Jardim Vitória in der Großstadt Cuiabá im Bundesstaat Mato Grosso.

Aber ansonsten hat sich in all den Jahren andauernd irgendetwas geändert, wir mussten ständig umdenken und uns anpassen. Ganz entscheidende Starthilfe leistete uns Werner Gebert vom Christlichen Hilfsdienst (Baden-Baden), der in der Partnerstadt von Cuiabá, Varzea Grande, die Pflege- und Missionsstation leitete. Von der Gesundheitsbehörde in Cuiabá bekamen wir zu Beginn unserer zahnärztlichen Tätigkeiten einen „Trailer“ gestellt – das war ein kleiner Wohnwagen, eingerichtet mit einer einfachen und reparaturanfälligen Behandlungseinheit. Der wurde in einem Schulhof in der Favela aufgestellt und von der Bevölkerung heftig frequentiert. In seinem winzigen Innenraum wurde bei den meist sehr hohen Außentemperaturen nicht nur von den Patienten viel Schweiß vergossen. 

Der Kollege Gerd Pfeffer hat dann innerhalb eines vierwöchigen Einsatzes mit großem Elan von der Stadt Cuiabá ein Grundstück losgeeist und zusammen mit Einwohnern aus der Favela ein zweistöckiges Haus gebaut. Das diente dann in den kommenden Jahren im unteren Stockwerk zunächst als Praxis und später auch noch als Unterkunft für unsere deutschen Zahnärzteteams.Wir haben in diesen Jahren, außer in unserer Favela, auch in Indianerreservaten Dienst getan, die in einiger Entfernung von Cuiabá liegen. Möglich wurde das mit Hilfe unseres neu erworbenen Amphibienfahrzeugs, das wir mobil einsetzen konnten.

So reibungslos, wie sich das jetzt liest, war das Arbeiten allerdings nicht. Am meisten Sorgen bereiteten die unzuverlässigen Geräte, die von jedem Beteiligten eine Menge Improvisationskunst abverlangten. Auf diese Weise war ein durchgehendes Arbeiten oft schwierig, weil wir Hauptorganisatoren in Deutschland wohnten. Diese Umstände wurden schlagartig besser, nachdem Gerd Pfeffer nach Brasilien umsiedelte und häufig in Cuiabá anwesend war.

Unsere unzähligen Verhandlungen mit den brasilianischen Behörden sind ein Kapitel für sich und sind bis heute eine interessante Lebenserfahrung. Die Geräte und Materialien haben wir aus Deutschland mitgebracht und zur erleichterten Einfuhr anfangs formal der Gesundheitsbehörde geschenkt und dann zum Teil real an diese verloren. Später hatten wir keine Probleme mehr damit, weil wir sie der großen katholischen Gemeinde eines aus Baden eingewanderten Priesters überschrieben, und so spielend die sonst üblichen, nervigen Probleme mit dem Zoll umgingen. Spannende Erlebnisse außerhalb der Arbeit hatte wohl jeder Beteiligte! Und viele positive Erfahrungen mit den immer fröhlichen und unkomplizierten Brasilianern und natürlich in der überwältigenden Natur – allein das Pantanal in der Nähe Cuiabás lohnt eine Reise – und den vielen interessanten großen und kleinen Städten Brasiliens. So ist der Arbeitseinsatz in unserer Zahnstation für alle Teilnehmer sicher ein unvergessliches Erlebnis geworden!

Dr. Karl Schoof, Baden-BadenGründungsinitiator der AZB

UNSER „ÄRZTEHAUS“ IN CUIABÁ

Es sollte eigentlich nicht schwierig sein, in dem noch spärlich bebauten Jardim Vitória ein kleines Grundstück zu finden und ein bescheidenes „Behandlungshäuschen“ daraufzusetzen – dachten wir!

Das Lateinamerika-Zentrum in Bonn stellte uns für dieses Vorhaben 10.000,00 Dollar zur Verfügung und so waren wir sogar finanziell gerüstet.

Vom Vorstand der AZB mit der Durchführung beauftragt, traf ich am 09.09.1993 in Begleitung der Krankenschwester Susanne Klett und einer Zahnmedizinstudentin, Conni Weber, in Cuiabá ein. Die größte Schwierigkeit stellte, wie erwartet, die Baugenehmigung dar. Die verantwortlichen Behörden versuchten in den zahlreichen Verhandlungen immer wieder das uns zur Verfügung gestellte Geld in Projekte der „öffentlichen Hand“ fließen zu lassen. Die Zustimmung bekamen wir erst, nachdem ich die letzte Verhandlung bereits unter Protest verlassen hatte, unter Ankündigung, die Mittel wieder zurückzugeben. Nachdem die Genehmigung erteilt war, bekamen wir allerdings sofort ein Grundstück zur Verfügung gestellt, das im Grundbuchamt ausschließlich zur öffentlichen Nutzung eingetragen war. Mittlerweile hatten wir den 18.09. – es war also bereits mehr als eine Woche vergangen und wir wollten ja so viel wie möglich vom geplanten Bauvorhaben verwirklichen! Also an die Arbeit! Das erste war eine kleine Skizze, die innerhalb weniger Stunden von einem Architekturbüro in einen Bauplan umgesetzt wurde.
In Pater Bernardo, einem deutschen Franziskaner-Pater fanden wir große Hilfe bei der Beschaffung des Baumaterials. Pater Bernardo kannte jeden in der Stadt! Als es dann auf der Baustelle losgehen sollte, war guter Rat teuer. Auch hier hatten wir wieder Glück: Über Werner Gebert, der seit langem für den Christlichen Hilfsdienst e.V. in Cuiabá tätig war, lernten wir seinen Kollegen Pastor Gustavo Bringsken Junior kennen. Er war von seiner Ausbildung her Bauingenieur und hat uns sofort tatkräftig seine Hilfe zugesagt.

Die Begradigung des Geländes hätte uns per Hand-arbeit mindestens eine Woche Zeit gekostet. Glücklicherweise hatte kurz zuvor der Bau der ersten Asphaltstraße durch den Jardim Vitória begonnen.

Der Leiter des Bautrupps, der auch die Baumaschinen beaufsichtigte, war bei einem Kasten Bier schnell überredet, uns mit seinem schweren Gerät ein wenig behilflich zu sein. So war am Mittag des ersten Bautages das Gelände begradigt und wir konnten mit dem Ausheben der Fundamente beginnen. Um Kosten zu sparen hatten wir nur einen Baumeister (Jorge) und zwei Maurer gegen Entgeld angestellt.

Des weiteren hatten wir auf die Mithilfe der Bevölkerung gehofft. Dies war zunächst ein Trugschluss. Eine Menge Leute blieben neugierig stehen und beobachteten, was da nun vor sich ging. Wenige erkundigten sich direkt bei uns, kaum einer bot seine Hilfe an. So bat ich nach drei Tagen den Ortsvorstand um eine Versammlung. In den Abendstunden des darauffolgenden Tages fanden sich ca. 150 Menschen auf dem Marktplatz ein, direkt vor unserer Baustelle. In einer kleinen Ansprache erzählte ich von unserem Vorhaben, stellte die Mitarbeiter vor und bat um Mithilfe der Anwesenden beim Bau, um so schnell als möglich die zahnärztliche Behandlung in den neuen Räumen aufnehmen zu können. Man glaubte dem Gehörten kaum, denn es herrscht in der Regel ein heftiges Misstrauen in der brasilianischen Bevölkerung bei „öffentlichen“ Vorhaben. Auch hatte die Allgemeinheit ja bislang kaum etwas von unserer versteckten Tätigkeit hinter den Schulmauern mitbekommen. Am nächsten Tag zeigte sich allerdings, dass die Neugierde größer war als das Misstrauen – es fanden sich einige Freiwillige auf der Baustelle ein.

Von nun an ging es rasend schnell! Die Wände wuchsen im Eiltempo heran. Ich hatte Mühe, das Baumaterial herbeizuschaffen. Eine Woche nach Baubeginn konnten wir bereits die Geschossdecke gießen. In der darauffolgenden Woche ging es noch schneller, wir arbeiteten mittlerweile mit ca. 40 Bauarbeitern. Ursprünglich hatten wir ja nur Behandlungsräume geplant. Dazu waren ebenerdig auf ca. 100 qm ein großer zahnärztlicher Behandlungsraum, ein angrenzender Raum für ärztliche Behandlung – beide über eine kleine Rezeption zugänglich, eine Veranda als offener Warteraum gestaltet, eine Garage mit einem kleinen Funktionsraum für den Kompressor und den Materialvorrat vorgesehen. Da der Bau so zügig voranging, erweiterten wir unsere Planung, indem wir ein Obergeschoss aufstockten, wo später einmal Wohnräume für das zahnärztliche Team würden entstehen können. Das Obergeschoss bauten wir als einen einzigen großen Raum, der Innenausbau sollte weit später erfolgen. Natürlich setzten wir in den Außenwänden bereits die Fensteröffnungen ein: In nur drei Wochen Bauzeit hatten wir den Rohbau bis zur Dachstuhlunterkante fertiggestellt.

Leider mussten wir zu diesem Zeitpunkt, am 05.10.93 unsere Rückreise antreten. Erschöpft, aber stolz auf das Geleistete, überließen wir den Bau des Daches unserem erfahrenen Baumeister Jorge. Unter der Leitung von Werner Gebert und Gustavo Bringsken Junior fand in den folgenden Monaten der Ausbau des Untergeschosses – also der Praxisräume statt. Im Februar 1994 fanden dann die ersten Behandlungen in diesen neuen Räumen statt. Drei Jahre später bauten wir das Ober-geschoss zu einer Vierzimmerwohnung mit Bädern und Küche aus.

Dr. Gerd Pfeffer, Salvador, Vorstandsmitglied der AZB