BRASILIEN WÄRE MEIN TRAUM // 2012

„Brasilien wäre mein Traum“– diese Worte höre ich mich noch sagen, als ich den Entschluss gefasst habe, mich in einem zahnärztlichen Hilfsprojekt einzubringen. Und nun, kurze Zeit später, heben wir im November 2012 in Frankfurt an Bord eines Flugzeugs ab, um ganz bald den lang ersehnten brasilianischen Boden unter den Füßen zu spüren. Wir, das sind Katrin und ich. Katrin als erfahrene Zahnarzthelferin und ich als wenig erfahrene Zahnärztin. Erst zwei Jahre Berufserfahrung kann ich zu diesem Zeitpunkt vorweisen und so paart sich – während uns die Sonne von Juazeiro do Norte in Empfang nimmt – der Duft von Freiheit mit dem Respekt vor der vor mir liegenden Aufgabe. Einige Woche werde ich in Crato (Staat Ceara, Nordosten Brasiliens) auf dem Dentomobil praktizieren, um möglichst vielen Einheimischen eine gute zahnärztliche Behandlung angedeihen zu lassen.

Meine doch auch mulmigen Gedanken zerstreuen sich in dem Moment, als wir auf dem Flughafen herzlich von Hermano begrüßt werden. Hermano ist Einwohner Cratos, Jurist, Leiter des Sozialprojektes „Nova Vida“ und die nächsten Wochen Ansprechpartner für uns. Von der ersten Minute an ist alles bestens organisiert. Sehr engagiert managen Hermano und seine Familie Transport, Unterkunft und Verpflegung für uns. Sein Haus steht uns offen. Wir wählen dennoch die Unterkunft im örtlichen Gesundheitsamt – typisch deutsch, man will ja niemanden zur Last fallen. Die Brasilianer sind jedoch so aufrichtig gastfreundlich, daß man das Angebot guten Gewissens hätte annehmen können. Die Unterkunft im Gesundheitsamt ist einfach, aber vollkommen ausreichend. Und vor allem ist sie überwacht, was mir ein sicheres Gefühl gibt, da man nicht selten vor Überfällen gewarnt wird.

Am ersten Arbeitsmorgen bin ich sehr aufgeregt – ich spreche weder annähernd perfekt portugiesisch (lediglich ein schmales Vokabular in Spanisch lässt mich hoffen), noch weiß ich, was mich erwartet. Als wir die Anhöhe auf dem das Dentomobil stationiert ist, befahren, sehe ich unter einer Art Pavillon zahlreiche Menschen, darunter viele Kinder, sitzen und warten. 

Das Dentomobil, welches ich bisher nur von Bildern und Erzählungen kannte, beeindruckt mich sehr: auf kleinstem Raum alles vorhanden und unheimlich durchdacht. Schon kurz nach Betreten des Dentomobils geht es los – und das ist auch gut so. Nach kurzer Eingewöhnungszeit vergesse ich die sprachliche Barriere, behelfe mir mit pantomimischer Darstellung, nutze eine vorhandene portugiesische Vokabelliste und erfreue mich der Arbeit. In den nächsten Tagen und Wochen besteht meine Tätigkeit aus ganz basaler Zahnmedizin: Schmerzlinderung, Füllungstherapie, Extraktion. Diese Basalität war einer meiner Beweggründe, mich für dieses Projekt zu entscheiden, da im Dschungel der deutschen Zahnmedizin der Grundgedanke des zahnärztlichen Berufs doch oft hinten ansteht. Aber egal welche Beweggründe man hat, die nachfolgenden Wochen sind einfach eine Bereicherung für mein Leben. 

Ich habe das Glück, dass ich von einem erfahrenen deutschen Zahnarzt eingearbeitet werde, der mir sehr viel beibringt – wofür ich ihm nachhaltig dankbar bin. Wir erfahren außerdem eine wunderbare Unterstützung von Eliana und Pricilla, zwei einheimischen jungen Frauen, die sehr engagiert im Dentomobil mit uns arbeiten. Neben dem Zugewinn an Wissen und Fertigkeiten, erleben wir die Brasilianer als wunderbare Patienten – höchst anständig, tapfer und dankbar. Die Betreuung neben der Arbeit ist herzlich – so erhalten wir jeden Morgen ein Frühstück bei Hermanos Familie und zur Stärkung nach der ersten Tageshälfte ein Mittagessen von Lucineda, die neben dem Dentomobil wohnt. Natürlich sind die Wohn- und Essgewohnheiten in Brasilien gewöhnungsbedürftig, aber spannend! 

Wir arbeiten nicht nur im Dentomobil, sondern gehen in Schulen und Vorschulen, um mit den Kindern das Zähneputzen zu üben. Ich bin erstaunt, dass ich auch diese Hürde trotz der sprachlichen Schwierigkeiten irgendwie meistern kann.

Abseits der Arbeit im Dentomobil, die zwischen 5 und 9 Stunden am Tag einnimmt, kommen wir in Kontakt mit einer deutsch- brasilianischen Familie, die uns an der Schönheit und Besonderheit Cratos und des brasilianischen Lebens teilhaben lässt. (Zu diesem Zeitpunkt ahne ich nicht, dass mich diese Familie zu meiner großen Freude ein halbes Jahr später in Deutschland besuchen wird.)

Ich könnte noch einige Zeilen weiter schwärmen – aber was ich eigentlich zum Ausdruck bringen möchte ist, daß es eine unglaublich intensive und einmalige Zeit war, zu der ich jedem, der Spaß an diesem Beruf hat und neugierig auf fremde Länder und Menschen ist, nur raten kann.

Carolin Bauer